Wesel-Flüren
Zu Land und zu Wasser
Kurzfassung
Nahe dem ehemaligen rechten Rheinufer bei Wesel-Flüren befinden sich acht römische Übungslager – ein eindrucksvolles Zeugnis für die strategische Bedeutung der Region. Die gut erhaltenen Lagerwälle sowie Hinweise auf die Verwendung von Schiffsbrücken belegen eindrucksvoll die Pionierkunst und Manöverpraxis der römischen Truppen. Das Gelände zählt zu den wenigen nahezu vollständig erhaltenen römischen Manöverarealen am Niederrhein.
Militärübungen auf der Niederterrasse
Im Gebiet von Wesel-Flüren errichteten römische Truppen insgesamt acht Lager unterschiedlicher Größe. Vier davon liegen heute in bewaldetem Gelände und sind mit ihren bis zu 0,5 m hohen Wällen gut sichtbar erhalten. Aufgrund dessen gehören sie heute zur UNESCO-Welterebstätte „Grenzen des Römischen Reiches – Der Niedergermansiche Limes“. Die übrigen vier Lager befinden sich unter Ackerflächen – dort haben sich nur die Grabenverläufe im Boden erhalten, die vor allem in trockenen Sommern durch Unterschiede im Pflanzenbewuchs erkennbar sind.
Wie bei römischen Marschlagern üblich, bestanden die Umwehrungen aus einem Spitzgraben (fossa) und einem Wall (vallum), der mit rechteckig ausgestochenen Rasensoden (caespites) verstärkt war. Auch die charakteristischen Toranlagen sind nachgewiesen: sogenannte claviculae, bei denen das Wallende auf der rechten Seite eines möglichen Angreifers viertelkreisförmig nach innen gezogen ist – ein raffinierter Schutzmechanismus.
Manövergebiet mit Weitblick
Die Lager liegen erhöht auf der Niederterrasse, unweit des ehemaligen rechten Rheinufers. In römischer Zeit war dieses Gelände unbewaldet und bot einen weiten Blick über die Ebene. Die Lage war ideal für groß angelegte Militärübungen – wahrscheinlich waren es Soldaten aus dem benachbarten Legionslager Vetera castra bei Xanten, die hier regelmäßig Manöver durchführten.
Solche Übungen waren fester Bestandteil der römischen Militärkultur: Sie dienten der Disziplin, der Ausbildung und der Vorbereitung auf Einsätze. Geübt wurde nicht nur der Lagerbau, sondern auch das Zusammenspiel verschiedener Truppenteile wie Infanterie und Reiterei – oder, wie in Flüren vermutet, sogar komplexe Pioniertechniken.
Bau von Schiffsbrücken – Technik für den Ernstfall
Die Lager von Wesel-Flüren liegen östlich des Rheins – also jenseits der Reichsgrenze. Auch nachdem Rom diese Gebiete offiziell aufgegeben hatte, nutzte man sie weiterhin für militärische Zwecke, etwa zur Rohstoffgewinnung oder für strategische Manöver. Historische Berichte, etwa von Cassius Dio, beschreiben eindrucksvoll, wie die römische Armee in solchen Regionen den Bau von Schiffsbrücken übte: Transportschiffe wurden aneinandergereiht, vorgefertigte Brückenteile montiert und sogar Verteidigungseinrichtungen wie ein hölzernes Tor mit Pfeilgeschützen installiert.
Solche Brückenschläge waren nicht nur ein technisches Meisterstück, sondern auch ein strategisches Signal: Sie demonstrierten die römische Fähigkeit, selbst breite Flüsse schnell überqueren und damit feindliche Gebiete jederzeit erreichen zu können.
Ein bemerkenswert erhaltenes Bodendenkmal
Die sog. Übungslager von Wesel-Flüren bilden zusammen eines der wenigen römischen Manöverareale, das sich nahezu vollständig erhalten hat. Drei der vier Lager im Wald sind in ihrer gesamten Ausdehnung nachvollziehbar. Die charakteristischen clavicula-Tore lassen sich bis heute im Gelände erkennen – ein beeindruckendes Zeugnis römischer Wehrarchitektur und Ausbildungsroutine. Der Fundplatz ist somit großer Bedeutung für Forschung und Bodendenkmalpflege.